Mein erstes Vipassana-Meditations Retreat
10 Tage sitzen und schweigen, 10 Stunden am Tag meditieren, kein Augenkontakt, keine Handys, keine Bücher, rein veganes Essen und natürlich kein Kaffee.
Mein erstes Vipassana im Ursprungsland Indien, in einem abgelegenen Klostern im Norden von Goa, ich hätte es nicht besser treffen können.
Um 04.00 morgens schrillt das helle Glöckchen der Leiterin durch die langen Gänge des Frauenkorridors, Tagwache ! Es ist dunkel draussen, noch nicht mal die Vögel sind wach, während ich mir im Halbschlaf die Zähne putze, den Sarong umwerfe und zur Dhamma Hall eile. Um 04.30 beginnt die Morgen Meditation und zwar pünktlich. Männer und Frauen sitzen getrennt, schlafen und essen getrennt.
Die ersten 3 Tage sitze ich voller Motivation aufrecht und gespannt auf meinem fix zugeordneten Kissen, lauschen den Instruktionen von Guruji aus dem Kassettenrekorder, die Endlosschleife "start again" , "work persistently" , " work diligently" brennt sich in jede Zelle meines Körpers ein.
Vipassana ist wie eine Operation des Gehirns: erst lieferst du dich selbst in die Anstalt ein, dann schneiden sie dir den Schädel auf, holen den ganzen Eiter raus, säubern alles und schliessen den Kopf wieder und nach 10 Tagen spuckt die Anstalt dich wie neugeboren wieder aus.
Alles folgt einer strikten Routine, kommuniziert wird nur über das schrille Glöckchen, das mich aufweckt, das mir die Pausen signalisiert und ebenso das lang ersehnte Signal zum Frühstück und Mittagessen spendet. Nach 12.00 mittags wird nicht mehr gegessen, nur Tee und ein Stück Obst gibt es um 17.00 Uhr.

Aller Schmuck, Handys, Bücher, mein Pass und selbst mein Notizbuch - alles ist abgegeben und wird erst am Ende retourniert. Keine Ablenkung von dem, was uns in den nächsten Tage erwartet. Kein Hallo mit meiner Zimmerkollegin, kein Guten Morgen, kein Gute Nacht, ich weiss nicht mal ihren Namen. Die 10 endlos scheinenden Tage gibts kein Gequatsche, kein Wort, nur Stille, nicht mal der non-verbale Austausch über die Augen ist erlaubt - kein Blickkontakt - never.
3 Tage lang sitzen wir und lassen die Anapana Atmentechnik über uns ergehn, Stunde um Stunde versuchen wir uns nur auf das Kitzeln der Ein-und Ausatmung rund um die Nasenlöcher zu konzentrieren. Atemzug um Atemzug wird der Geist ruhiger, die körperliche Anspannung weniger und die Neugier auf das eigentliche Vipassana grösser. Im Morgengrauen des vierten Tags werden wir eingeweiht in die Meditationstechnik des Vipassana, genau so überliefert wie Gautama Buddha es Jahrzehnte praktizierte bis er zur Erleuchtung fand.
Das Sitzen fällt jeden Tag leichter, die Hüften und die Rückenmuskulatur gewöhnen sich langsam ans stundenlange still - und aufrecht Sitzen …
Erst am 7. Tag breche ich total ein. Das nervige Glöckchen schrillt um 04.00Uhr morgens durch mein Hirn , am liebsten würde ich auf den Flur rennen und der Leiterin das blöde Glockerl aus der Hand reissen. Meine Motivation aufzustehen ist gleich null, mich in die Meditationshalle zu begeben grenzt gegen eisige -10. Meine Gelenke sind geschwollen, meine Beine dick und ich will einfach nicht mehr sitzen. Ich will raus hier, ich will mein Handy zurück, ich will grad 5 Stunden Yoga machen, mich dehnen, aber selbst das ist ja ausdrücklich verboten! Mir reichts. Ich will nimma. Mag nicht mehr.
Wer hat mir den Schwachsinn erzählt, dass am 7. Tag alles soooo wundervoll wird, als würde man fliegen, den Körper verlassen. Bullshit. Ich bin wütend, fühle mich aufgedunsen, alles tut weh. Dafür das ich mich den ganzen Tag nicht bewege, esse ich von dem mega leckeren veganen Essen viel zu viel, denn leider darf man sich nach holen so oft man will und da die Mahlzeiten meine einzige Abwechslung sind, schaufle ich mir meinen Teller jeden Tag bis zum geht nicht mehr voll um die Rückkehr in die Meditationshalle noch ein bisschen raus zu zögern.

Ok, ich schaff das, schlepp mich in die Meditationshalle, bin viel zu spät. Setzen, atmen, unauffällig verhalten. Um die Zeit bis zum Frühstück um 6.30 rum zu kriegen, versuche ich heimlich Yogaübungen auf meinen Kissen zu machen, spiele mit meinen Nägeln und Haaren. Konzentration? Mediatation? NICHTS geht mehr bei mir. In mir kocht die Wut auf alle die so ruhig da sitzen und noch viel mehr auf mich selbst, da ich zu schwach bin meinen Geist unter Kontrolle zu halten. Um 06.00 halt ichs nicht mehr aus, ich bin kurz vor einem Wutausbruch, fluche vor mich hin, kann nicht mehr still sitzen. Den Tränenen nahe renne ich aus dem scheiss Raum und die eifrige Leiterin gleich hinter her. Schluchzend verlange ich meinen Pass und mein Handy, ich will gehn, ich will nur mehr raus hier. Die Leiterin schaut mich mitleidig an, erklärt mir seelenruhig, dass ich meine Sachen sicher nicht bekomme. Ich werde bockig, sie bleibt stark. Ich versuche weiter zu bohren, bettel, bitte, flehe. Sie hat schon bei zu vielen Vipassanas geholfen um schwach zu werden, redet sanft wie eine Mutter auf mich ein, liebevoll bringt sie mir Wasser und ein paar Nüsse während sie mir wie ein Dummerchen erklärt, das mein Geist sich gegen all das wehrt was jetzt passiert. Mein Geist will festhalten an all dem alten Dreck und Müll, will nicht das ich mich befreie und löse. Es ist quasi der Teufel in mir, der sagt: geh, hau ab, das ist das alles Blödsinn hier. Nur wenn ich diese Schatten in mir besiegen kann, stärker sein kann als sie, kann ich heilen. Von der Dunkelheit ins Licht treten und Platz für Neues schaffen.

Irgendwie schafft die Leitern mich zu besänftigen und irgendwo, ganz tief drinnen in meinem Herzen bin ich ihr noch im selben Moment dankbar dafür. Mit einem Satz den ich nicht vergesse, schickt sie mich auf mein Zimmer:
„You must have done something good in your life. That´s why the Universe brought you here. This is the biggest present you can make to yourself. You will see.“
In der nachmittags Mediation dann plötzlich der Durchbruch, meine Wut vom Morgen ist weg meditiert, fast ist es mir peinlich wie kindisch und bockig ich mich verhalten hab. Ich tauche plötzlich in eine Weite aus Stille, meine Aufmerksamkeit gleitet im Free-Flow durch meinen Körper. Ich verschmelze mit dem Rausch des Leichtseins, Nichtseins, Allseins, Einsseins.
Nach 10 Tagen in der Stille erfüllt mich eine Ruhe und eine tiefe Gelassenheit, die ich so noch nie in mir gespürt habe. Die Welt draussen scheint im Zeitraffer abzuspielen und das Reden beschränkt sich bei mir nur auf einzelne Worte, die stockend ihren Weg aus meinem Mund finden. Nie hätte erwartet, das mich Vipassana so reinigen kann, meinen getrübten Geist klären kann, mein nervöses Wesen zügeln kann. Noch am Weg nach Hause weiss ich, dass das sicher nicht mein letztes Vipassana war.
Nichts erkämpfen, nicht durchhalten sondern einfach sein, lernen nicht-zu-Tun. 10 Tage den Fokus auf mein Inneres und auf meine Atmung richten. Mich soweit aus meiner hektisch-nervösen Komfortzone heraus zu bewegen, war eine meiner grössten Herausforderungen und dass ich trotz aller Zweifel und Hürden 10 Tage dabei geblieben bin macht mich selbst richtig stolz.
Like Goenka says: "may all beings be happy"
Mehr Infos zu Goenka Vipassana Kursen weltweit: https://www.dhamma.org/de/
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